Mit dem Donnerstag der Karwoche beginnt der innerste und höchste Punkt des Kirchenjahres: Das Heilige Triduum (Triduum sacrum), d.h. die „heiligen drei Tage“. Es umfasst Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag. Die Liturgie dieser Tage ist nochmals besonderer und feierlicher als während der übrigen Karwoche. In diesem ersten von drei Beiträgen wollen wir uns etwas genauer die Liturgie des Gründonnerstags ansehen. Dazu gehört neben der Feier der hl. Messe auch das Breviergebet bzw. das officium divinum. Es hängt im gesamten liturgischen Jahr immer mit der Messe zusammen und steht nicht losgelöst davon. Aus diesem Grunde beginnen wir mit der Betrachtung des göttlichen Offiziums des Tages, das im Breviarium Romanum enthalten ist. Wie auch schon im Beitrag zu Palmsonntag wollen wir die traditionelle Liturgie (bis 1955) mit der „reformierten“ bzw. „pianischen“ (1955-1969) vergleichen.
Das kirchliche Stundengebet, welches wir im folgenden Offizium nennen, des hl. Triduums ist von besonderer Einfachheit geprägt. Dies ist – wie oftmals, aber nicht zwingend – ein Hinweis auf sein hohes Alter. Es reicht wohl bis in das 4. Jahrhundert zurück und ist in allen Sammlungen bzw. Antiphonaren (Bücher, welche die Antiphonen des Offiziums sammeln) in der selben Form enthalten wie im Breviarium Romanum des hl. Papstes Pius V. (1568), das bis zu seiner vollständigen Neuordnung unter Papst Paul VI. die Grundlage aller römischen Breviere darstellte.
Ohne an dieser Stelle zu ausführlich zu werden, wollen wir zum Offizium doch folgende besondere Punkte festhalten. Die erwähnte Einfachheit zeigt sich darin, dass die Doxologien, das Invitatorium (Matutin) und die Hymnen, Capitula und sämtliche anderen über die Jahrhunderte hinzugewachsenen Teile fehlen. In der Matutin enden sämtliche Lesungen der ersten Nokturn (die Wehklagen des Propheten Jeremia) statt mit Gloria Patri wie sonst mit Jerusalem, Jerusalem, convertere ad Dominum Deum tuum (Jerusalem, bekehre dich zum Herrn deinem Gott). Hier erkennt man: Die Kirche hat an diesen Tagen die alte, einfache Struktur des Offiziums als eindrückliches Zeichen der Trauer bewahrt. Erst an Ostern werden „alle Dinge neu“ (vgl. Ofb 21,5) und kehren in ihrer Fülle und Pracht zurück. Die anderen Horen sind ebenfalls auf eine sehr simple Form reduziert.
Eine der eindrucksvollsten liturgischen Funktionen des Jahres sind die Tenebræ des Triduums. Das lateinische Wort bedeutet „Dunkelheit“ und benennt so ein zentrales Motiv nicht nur dieser Zeremonie, sondern auch der Passion des Herrn: Finsternis. Die Tenebræ sind nichts anderes als die Matutin und Laudes (welche im Chor immer zusammen gegebetet werden) des Offiziums, aber mit besonderem Zeremoniell. Im Altarraum steht ein großer dreieckiger Leuchter, auf ihm 15 dünne, ungebleichte (d.h. orangene) Kerzen. Nach jedem Psalm löscht man eine Kerze, sodass sich die Kirche immer mehr verdunkelt. Zum Ende der Zeremonie hin trägt der Zeremoniar die letzte brennende Kerze hinter den Hochaltar – die gesamte Kirche fällt in Finsternis. Dann macht man mit den Füßen einen großen Lärm – ein ungeheures Zeichen, das uns an das Erdbeben bei der Kreuzigung und den Tod Christi erinnert.
Üblicherweise antizipierte man, d.h. zog sie vor, diese Horen im Triduum am Vorabend. So wurden die Tenebræ des Gründonnerstags Mittwochabend, die des Karfreitags am Gründonnerstagabend und die des Karsamstags am Karfreitagabend gesungen. Eine genaue Begründung dieser Praxis würde an dieser Stelle zu weit führen. Leser, die des Englischen mächtig sind, können sich unter diesem Link (extern) genauer darüber informieren.
Anders als das Offizium, das violett ist, ist die Messe vom Gründonnerstag in weiß, sie wird behandelt wie ein Herrenfest, was sich auch im Gloria und Credo ausdrückt. Sie ist, wie alle violetten Messen an Werktagen liturgisch nach der Non angesiedelt. Auch hier antizipierte man die Messe, nicht zuletzt weil sie viele Elemente eines Festes aufweist. Ebenso spielt die strenge Fastenordnung eine Rolle. Bereits im 7. Jahrhundert feierte man sie nach dem ältesten vorhandenen Zeugnis römischer Liturgie (dem Ordo Romanus primus) am Vormittag, sie blieb aber im liturgischen Tagesablauf an die vorherige Rezitation der Non gebunden.
Auch hier sei noch einmal auf den obigen Link zur näheren Erläuterung hingewiesen. Es gibt einige Elemente, die die Besonderheit dieses Tages ausdrücken: Das Kruzifix ist in weiß verhüllt, das Agnus Dei endet wie üblich mit Dona nobis pacem. Nach dem Gloria schweigen die Glocken und werden durch Holzklappern ersetzt, was uns auch akustisch daran erinnert, dass dieser Tag im Licht des Leidens des Herrn zu verstehen ist. Es gibt keine Pax (Friedenskuss) – auch hier wieder auf der praktischen Ebene aufgrund des hohen Alters des Ritus, aber im weiteren Verlauf ausgedeutet hin auf den verräterischen Kuss des Judas.
In der traditionellen (d.h. bis 1955 gültigen) Liturgie dieses Tages konsekriert der Priester zwei große Hostien: Eine für die Kommunion dieser Messe, die andere für den Karfreitag (siehe den folgenden Beitrag). Diese legt er sodann in einen zweiten Kelch, darüber eine Palla und eine Patene. Anschließend wird der Kelch mit einem Tuch aus weißer Seide und mit einem weißen Seidenband verhüllt. Was der Herr selbst in Seinem Leiden als „Kelch“ bezeichnet (Mt 26, 39ff.; Lk 22, 42), ist hier zeichenhaft ausgedrückt: Der wahre Leib des Herrn ist in einem Kelch eingeschlossen und verhüllt. Er bleibt so bis Ende der Messe auf dem Corporale stehen. In der Liturgie des Karfreitags, der „Liturgie der vorgeheiligten Gaben“ (Missa præsanctificatorum), wird er eine zentrale Rolle spielen. Dieser Ritus ist somit ein starkes Zeichen für die innige Beziehung zwischen den Geschehnissen an Gründonnerstag und der Kreuzigung am Karfreitag.
Da der Heiland selbst nun bis zum Ende der Messe auf dem Altar gegenwärtig ist, werden Ihm im Altarraum besondere Reverenzen (Ehrerbietungen) erwiesen. So müssen Priester und Leviten jedesmal eine Kniebeuge machen, wenn Sie in die Mitte des Altares kommen oder sie verlassen. Sie und alle Ministranten bewegen sich stets so, dass sie dem Allerheilgsten nicht den Rücken zukehren. Beim Schlussevangelium schließlich machen alle die Kniebeuge zum Kelch auf dem Corporale.
Anschließend wird das Allerheiligste mit allem Pomp und jeder Schönheit, die die katholische Kirche zu mobilisieren weiß, zu einem mit Blumen, kostbaren Stoffen und Kerzen eigens geschmückten Repositionsaltar in derselben Kirche gebracht. Unter einem Baldachin, mit Pluviale und Schultervelum bekleidet, geht der Priester, ihm voraus zwei Rauchfässer und ein zweiter Subdiakon mit dem Kreuz. Währenddessen singt die Schola das Pange lingua. Dort angekommen folgt das Tantum ergo, und Inzens. Danach stellt der Diakon den Kelch mit der Hostie entweder in eine eigens dafür vorgesehene, reich verzierte „Urne“ oder einen Tabernakel.
Nach der Messe wird im Chor die Vesper ohne Gesang gehalten. Darauf folgt die Entblößung der Altäre, wobei Priester und Leviten violett tragen, unter Gesang von Psalm 21 mit seiner Antiphon Diverserunt sibi. Vom Altar werden die Kanontafeln und die Altartücher entfernt, nicht aber die Kerzenleuchter oder das Kreuz, das dort weiter darauf wartet am Karfreitag enthüllt zu werden.
In der pianischen „Reform“ der Karwoche änderte man die Tenebræ nicht. Sie strich jedoch den berühmten Psalm Miserere vom Ende aller Horen, wo er bis dahin im Triduum seinen Platz hatte. Die sehr alte Praxis der Antizipation der Tenebræ am Vorabend wurde ebenso verboten. Sie sollten nun am Morgen gefeiert werden. Dies hat zur Folge, dass die starke Symbolik der Finsternis – schon im Namen selbst ausgedrückt – verloren geht, da die Zeremonie nun mindestens mit dem Sonnenaufgang zusammenfällt, wenn sie nicht sogar danach stattfindet. Vormals endete sie in den Sonnenuntergang hinein.
An den Rubriken des Breviers bzgl. der Zeremonien der Tenebræ änderte sich vorläufig nichts weiter. Nach der 1961er Brevierreform ist jedoch vom Verstecken der Kerze und dem Lärm am Ende keine Rede mehr. Die Verpflichtung zum Beten der Vesper an Gründonnerstag und Karfreitag wird aufgehoben für jene, die der Abendmahlsmesse und der Karfreitagsliturgie beiwohnen. Im Chor (d.h. gesungen) entfallen sie vollständig, denn die jeweiligen Funktionen „ersetzen“ sie.
Die erste Änderung ist die Uhrzeit: Bereits der Name im Messbuch von 1962 macht klar, wann sie zu feiern ist: De Missa Solemni Vespertina in Cena Domini – also am Abend. Man strich das Credo, das Agnus Dei wird endet statt wie üblich mit Dona nobis pacem mit einem dritten Miserere nobis. Was uns heute als Besonderheit an Gründonnerstag geläufig ist, gibt es also erst sehr etwas mehr als 60 Jahren. Sie wurde übrigens im Messbauch Pauls VI. (1969) wieder abgeschafft und stellt also ein eher kurzes Intermezzo dar.
Das Gebet Domine Jesu Christe zur Vorbereitung der Kommunion des Priesters ist gestrichen – wie in einem Requiem, jetzt aber an einem „Herrenfest“, vermutlich weil es den „Frieden“ erwähnt, der aber nicht als Friedenskuss stattfindet. Dabei sprach Jesus Christus selbst beim letzten Abendmahl, dessen diese Messe ja gedenkt, die Worte jenes Gebetes: Pacem relinquo vobis, pacem meam do vobis (Joh 14, 27). Ebenfalls gestrichen wird auch der Ritus um die zweite große Priesterhostie, samt zweitem Kelch. Stattdessen sollen zwei Ziborien konsekriert werden, eines für die Kommunion am heutigen Tag und eines für die umgestaltete Karfreitagsliturgie (mehr dazu im folgenden Beitrag). In der Folge kommuniziert der Priester an Karfreitag also eine kleine Hostie wie die Gläubigen.
Eine der auffälligsten und gravierendsten Änderungen ist die Einfügung der Fußwaschung, die bis dato immer gänzlich außerhalb der Liturgie (oft sogar außerhalb einer Kirche) stattfand, in den Ritus der Messe und zwar zwischen Homilie und Opferung. Dazu gibt es noch wesentlich mehr zu sagen, was jedoch hier den Rahmen sprengt. Interessierten Lesern sei der Link am Ende dieses Artikels ans Herz gelegt.
Am Ende der Messe wird nicht wie bisher vorgesehen Ite, Missa est gesagt, sondern Benedicamus Domino – eine Formel, die nun der liturgischen Tradition widersprechend verwendet wird, denn sie gehört zu violetten Messen an Bußtagen. Der Segen am Ende der Messe entfällt ebenso wie das Kommunion-Confiteor und das Schlussevangelium. Hier sehen wir erneut die nachfolgenden Änderungen an der gesamten Liturgie (nicht „nur“ der Karwoche) vorgezeichnet.
An der Prozession und Entbößung der Altäre hat die Reform nichts verändert, außer dass nun auch die Altarleuchter und das Kruzifix entfernt werden sollen. Dass dies zu merkwürdigen Folgen führt, hat der große Msgr. Gromier, Zeremoniar Papst Pius’ XII., in einem Vortrag in Paris im Juli 1960 ausgeführt.
Dieser Artikel basiert auf dem außerordentlichen Werk von Gregory DiPippo, das auf New Liturgical Movement veröffentlicht wurde und hier mit seinem ausdrücklichen Einverständnis ins Deutsche übertragen und ergänzt wurde.