Im letzten Teil dieser Serie widmen wir uns dem dritten Tag des hl. Triduums: Karsamstag (Sabbato Sancto)und der Vigil von Ostern.
Karsamstag vor 1955
Name und liturgische Zeit
Im alten Missale (d.h. bis zur Kalenderreform von 1960) war der Karsamstag ein privilegierter Tag – d.h. kein Fest konnte ihn irgendwie verdrängen – aber vom Ritus her semiduplex. Das bedeutet, dass er zwar einige, aber nicht alle Privilegien eines Festes hat. So fehlt bedeutsamerweise, z.B. das Credo. Warum das so ist, werden wir im Laufe dieses Beitrages erfahren.
Karsamstag verfügt wie die beiden vorherigen Tage über Tenebræ und ein eigenes, besonderes Offizium, auf das wir am Ende zu sprechen kommen. Hier wollen wir uns der Ostervigil widmen – bewusst steht da Ostervigil und nicht Osternacht, denn die Feier ist – anders als man erst denken könnte – tatsächlich keine nächtliche, sondern eine abendliche Feier. Wie die anderen Tage der Karwoche auch, ist findet sie nach der Non und vor der Vesper statt. Dies hat seinen Grund in der altkirchlichen Fastendisziplin, nach der die erste Mahlzeit gemeinsam nach der Vesper eingenommen wurde – daher auch der alte Entlassruf Benedicamus Domino an violetten Tagen.
Ebenso werden wir im Verlauf sehen, dass es sich bei dieser Feier nicht um eine „erste Messe von Ostern“, d.h. die eigentliche Ostermesse, handelt, sondern um eine freudige Erwartung der Auferstehung, die markant von der tatsächlichen Ostermesse am Ostersonntag (nach der Terz, wie an allen Festtagen) unterschieden ist. In der Ostervigil beginnt die Auferstehung, findet aber nicht ihre Vollendung. Karsamstag ist ein eigener liturgischer Tag, mit seiner eigenen Feier – einer Vigil. Eine Vigil ist keine „Vorabendmesse“, sondern eine Vorbereitung, Erwartung, eine Wache. All diese Punkte sollte man im Hinterkopf behalten, wenn wir uns nun die Feier im Einzelnen anschauen.
Allgemeines
Der Ritus beginnt nach der Non, wie an allen Werktagen der Quadragesima. Die Ministri tragen violette Paramente (Chormantel und gefaltete Kaseln). Die Vigil wird in weiß enden, denn heute endet der letzte Tag der Fastenzeit und geht in Ostern über. In der Kirche sind alle Lichter gelöscht. Auf der Evangelienseite im Altarraum steht, auf einem hohen Leuchter, die Osterkerze, reich verziert und bemalt. Viele alte Kirchen verfügen über solche großen, gar massiven Osterleuchter, einer Säule gleich. Gemeinsam mit der Osterkerze erinnern sie an den Auszug aus Ägypten durchs Rote Meer, als Israel von einer Feuersäule hindurch geleitet wurde.
Auf dem Hochaltar stehen sechs hohe Leuchter mit weißen, gebleichten Kerzen, die aber gelöscht sind. Alle Bilder der Kirche sind weiterhin verhüllt.
Segnung des Feuers
Draußen vor der Kirchentür wird aus einem Feuerstein das Feuer entzündet. Ministri und Ministranten kommen heraus, um das Feuer zu segnen. Der Subdiakon trägt das Kreuz, die Akolythen haben fünf Weihrauchkörner, die später in die Osterkerze eingelassen werden, und Weihwasser dabei. Der Priester singt drei Orationen über das Feuer und eine über die Weihrauchkörner.
Die erste Oration spricht von Christus als dem Schlusstein, aus dem das Feuer der Herrlichkeit Gottes hervorstrahlt, und so auf den Feuerstein bezieht. Die zweite erwähnt Moses, den Gott erleuchtet und aus Ägypten herausgeführt hat. Die dritte schließlich erbittet von Gott durch dieses Licht Stärkung und Schutz vor den Angriffen des Feindes. Es folgt direkt die Segnung der Weihrauchkörner, und erst danach werden Feuer und Körner mit Weihwasser besprengt – währenddessen betet der Priester die Antiphon Asperges me. Er inzensiert danach das Feuer und die Körner.
Der Diakon legt seine violette gefaltete Kasel ab – die anderen behalten jedoch ihre Gewänder an – und zieht eine weiße Dalmatik mit Manipel an. Dann nimmt er das sog. Trikirion (auch Tricereo, arundus) zur Hand. Dabei handelt es sich um einen langen Stab, an dessen Spitze in dreieckiger Form drei Kerzen befestigt sind. Ihr Symbolgehalt ist reich: So stellen sie zum einen die Frauen, die ans leere Grab kommen, aber auch die Dreifaltigkeit dar.
Nun setzt sich die Prozession in Bewegung. Sie geht in die Kirche, in der alle Lichter gelöscht sind und in der das Volk wartet. Wenn die Prozession einige Schritte in die Kirche hineingegangen ist, kommt ein Akolyth mit einem am gesegneten Feuer entzündeten Docht und zündet die erste Kerze am arundo an. Der Diakon erhebt ihn, macht eine Kniebeuge (alle anderen außer der Subdiakon mit dem Kreuz ebenfalls) und singt Lumen Christi, auf das die Schola mit Deo gratias antwortet. Die Kniebeuge machen alle geradeaus. Dies vollzieht sich insgesamt drei mal, jedes mal einen Ton höher und weiter in die Kirche hinein, bis die drei Kerzen entzündet sind. Das letzte Lumen Christi wird direkt vor dem Altar gesungen.
Exsultet
Am Hochaltar angekommen (es brennen nur die drei Kerzen auf dem Trikirion), steigt der Zelebrant empor, küsst ihn und geht auf die Epistelseite am Altar, während der Diakon einem Akolythen den Stab übergibt. Der Diakon erbittet wie beim Evangelium den Segen zum Gesang des Exsultet, den der Zelebrant in derselben Form gibt wie in der Messe, aber statt Evangelium suum sagt er suum paschale præconium. Wie zum Evangelium (aber ohne Leuchter) ziehen alle auf die Evangelienseite zum Osterleuchter, auf dem die Kerze steht. Davor befindet sich ein Pult, an dem der Diakon das Exsultet singt. Neben ihm stehen Kreuz, Weihrauch und das Trikirion.
Er stimmt das Exsultet an, das in eine Weihepräfation der Kerze übergeht, wenn per omnia sæcula sæculorum, Dominus vobiscum, Sursum corda, erklingt. Hier haben wir es mit einem uralten diakonalen Segen zu tun. Sie preist die Geheimnisse der Heilsgeschichte, die alle in der Auferstehung Christi gipfeln und ihre Erfüllung finden. Hæc nox est, dies ist die Nacht, die anbrechende Nacht: In der Israel aus Ägypten geführt wurde; in der die Feuersälue die Dunkelheit der Sünde verbannte; in der Christus die Fesseln des Todes zertrat und auferstand. Es klingt die Freude der Erwartung durch. Wie der Diakon inmitten der violetten Gewänder und der dunklen Kirche in weißer Dalmatik steht, so erwarten wir den Auferstandenen, bis er uns in der Messe des Ostertags erscheint: Resurrexi et adhuc tecum sum.
Bei den Worten curvat imperia unterbricht der Diakon den Gesang, steckt in Kreuzform die Weihrauchkörner in die Kerze und fährt dann fort: In hujus igitur noctis gratia, suscipe, sancte Pater, incensi hujus sacrificium vespertinum… Was er eben getan hat, besingt er jetzt direkt weiter im Exsultet. Nach den Worten Sed jam columnæ hujus præconia novimus, quam in honorem Dei rutilans ignis accendit entzündet er mit dem neben ihm wartenden arundo die Osterkerze. Wieder singt er ein wenig weiter bis hujus lampadis apis mater eduxit und es werden die Kerzen der Kirche – nicht aber des Altares – entzündet. Man erkennt, wie der Text des Exsultet mit den Zeremonien korrespondiert, die der Diakon vollzieht, wenn er die Kerze segnet.
Prophetien
Nun legt der Diakon seine weißen Gewänder ab und zieht wieder die violette gefaltete Kasel an – der erste freudige Anklang des Osterfestes ist verklungen. Der Priester tauscht seinen Chormantel gegen eine violette Kasel, denn ersterer wird gewöhnlicherweise für Segnungen und Prozessionen gebraucht, die nun vorbei sind. Alle legen violette Manipel an. Es folgen die zwölf Lesungen/Prophetien, die da sind:
- Gen 1,1-2,2: Die Schöpfung
- Gen 5,31-8,21: Noah und die Arche (einige Verse fehlen)
- Gen 22,1-19 : Das Opfer Abrahams
- Ex 14,24-15,1. Danach ein Tractus der folgenden Verse 15, 1-3, die die Wanderung durchs Rote Meer besingen.
- Jes 54,17-55,11: Zur Vorbereitung auf die Taufe
- Bar 3,9-38: Gott offenbart sich seinem Volk
- Ez 37,1-14: Die Vision der Knochen und der Auferstehung
- Jes 4,1-6. Danach ein Tractus aus Jes 5, 1-2 und 7: Der Weinberg des Herrn.
- Ex 12, 1-12 (wie an Karfreitag): Das Gesetz und das Paschalamm
- Jona 3,1-10: Aufruf zur Buße
- Dtn 31,22-30. Danach ein Tractus aus Dtn 32,1-4: Aufruf zur Wahrung des Gesetzes Gottes
- Dan 3,1-24: Die drei Jünglinge im Feuerofen.
Nach jeder Lesung folgt Flecatus genua, etc. und eine Oration. Nach der vierten, achten und elften Lesung gibt es zusätzlich einen Tractus. Nach der letzten Prophetie gibt es jedoch kein Flectamus genua, etc. In den zwölf großen Lesungen, in ihrer Zahl reich an Symbolik, vollziehen wir einen Streifzug durch die Heilsgeschichte. Sie führen uns auch zurück in eine Zeit, in der es der Normalfall war, dass in dieser Feier die Katechumenen getauft wurden. In den römischen Katakomben finden sich zahlreiche Abbilder der Themen dieser Lesungen. Für sie gibt es ebenfalls hochkomplexe, wunderschöne Melodien, deren Ausführung für einen Lektor wahrlich einer Buße gleichkommt. Wir kommen nun zur Segnung des Taufbrunnens – wenn die Kirche einen Taufbrunnen hat.
Weihe des Taufbrunnens
Der Priester zieht hierfür wieder ein violettes Pluviale an, denn es handelt sich um eine feierliche Segnung. Im voraus ziehen der Subdiakon mit dem Kreuz, Akolythen mit Kerzen und die Osterkerze. Während der Prozession singt die Schola den Tractus Sicut cervus (Ps 41). Am Taufbrunnen angelangt, betet der Priester eine Oration für die Täuflinge, die von jenem eben besungenen Hirsch spricht, der nach Wasser lechzt. Es folgt eine zweite Oration, welche die Weihe des Taufbrunnens einleitet und in eine Präfation – wie zuvor bei der Kerze – übergeht.
Während der Präfation teilt er das Wasser mit seiner Hand, haucht in Kreuzform darüber, und versprengt es in die vier Himmelsrichtungen. Die Osterkerze wird dreimal, jeweils tiefer, hinein gesenkt und schließlich haucht der Priester in Form eines Psi erneut über das Wasser. Abschließend gibt er erst Katechumenen-, dann Chrisamöl und schließlich beides zusammen in den Brunnen und verteilt es im gesamten Wasser.
Wenn es zu taufende Katechumenen gibt, werden diese nun getauft. In Kirchen, die keinen Taufbrunnen haben, entfällt dieser gesamte Teil und es wird nach der letzten Lesung direkt mit dem folgenden fortgefahren.
Allerheiligenlitanei
Es folgt nun die Allerheiligenlitanei. Wie in uralten Zeiten wird dabei jede Zeile doppelt gesungen: zuerst einmal von einem Kantor vorgesungen, danach vom Chor wiederholt. Sie wird am Stück gesungen. Priester und Leviten legen ihre gefalteten Kaseln ab und legen sich auf die Altarstufen. Gegen Peccatores stehen sie auf und begeben sich in die Sakristei, wo sie weiße Messparamente – Kasel, Dalmatik und Tunicella – anlegen. Währenddessen werden die Kerzen am Altar entzündet.
Die Hl. Messe
Nach dem letzten Christe exaudi nos geht die Schola direkt ins Kyrie über, das sie wie in der Hl. Messe singt. Die Ministri kommen zurück in den Altarraum und beten vor dem Altar das Stufengebet mit Judica me und Gloria Patri. Sie steigen zum Altare auf, der Zelebrant küsst und inzensiert ihn wie üblich. Einen Introitus gibt es nicht. Nachdem er das Kyrie rezitiert hat, stimmt er in der Mitte feierlich das Gloria in excelsis an, die Orgel bricht aus ihrem fastenzeitlichen Schweigen donnernd hervor, die Glocken erklingen und die Bilder werden enthüllt.
Dass diese Messe nicht die „erste Messe“ von Ostern, sondern eine freudige Erwartung des auferstandenen Heilandes, zeigen verschiedene Besonderheiten. So fehlen bestimmte Elemente, etwa ein Introitus, Leuchter zum Evangelium, das Agnus Dei, der Friedensgruß, das Credo und der Offertoriumsvers. Auch andere Elemente zeigen an, dass sich das Ostergeheimnis immer noch nicht ganz manifestiert hat: Denn der Heiland ist uns noch nicht erschienen, wir erwarten Ihn immer noch. Denn eine „Vigil“ ist ein Wachehalten. Eine ähnliche Praxis gibt es auch in den Ostkirchen.
Nach der Epistel kehrt das Alleluja zurückund zwar dreifach, jedes Mal einen Ton höher. Seit Septuagesima fehlte es und wurde durch einen Tractus ersetzt. Und auch jetzt, obwohl es zurückkehrt, ist noch immer nicht alles offenbar, denn es folgt nach dem Graduale wieder ein Tractus (Ps 116,1-2) – wie seit Septuagesima. Das Evangelium ist Mt 28,1-7: Die Frauen kommen zum Grab, der Engel verkündet ihnen die Auferstehung, doch sie sehen Ihn noch nicht. So auch die Kirche: Der Herr ist auferstanden, ist uns aber noch nicht erschienen. Es folgt kein Credo, der Offertoriumsvers fehlt. Es gibt keinen Friedensgruß, denn der Herr ist noch nicht erschienen (vgl. Joh 20,19-21). Im Canon gibt es jeweils ein eigenes Communicantes und Hanc igitur.
Statt der Communio-Antiphon, wird die erste Vesper von Ostern gesungen. Wir erinnern uns: Die Vigil beginnt nach der Non und endet deshalb mit der Vesper, bis zu der gefastet wurde. Die Vesper ist äußerst kurz: Sie besteht aus einem Psalm (116) mit der Antiphon Alleluja, alleluja, alleluja. Hierauf folgt das Magnificat mit der Antiphon Vespere autem sabbati, die der Zelebrant intoniert und die Schola fortsetzt. Der Altar wird inzensiert.
Die Vesper (und die Messe) schließen mit einer Oration Spiritum nobis, Domine und Ite, Missa est, alleluja, alleluja. Ite, denn die Vesper ist nun gebetet und das Fasten kann gebrochen werden.Hierauf folgen Segen und Schlussevangelium. Die gesamte Osteroktav hindurch wird das Ite auf diese Weise gesungen.
Karsamstag nach 1955
Name und liturgische Zeit
Der Tag heißt weiterhin Sabbato Sancto und die Liturgie vigilia paschalis, wobei die neuen Rubriken nur allzu gern von einer „feierlichen“ (solemnis) Liturgie sprechen, von Palmsonntag bis Karsamstag werden diverse Riten als solemnis bezeichnet. Msgr. Gromier scherzte in seinem bereits zitierten Vortrag gern darüber, dass man hier gern alles als feierlich bezeichnete, so als gäbe irgendeine Möglichkeit, dass diese Riten in unfeierlicher Form vollzogen würden.
Die Rubrik zu Beginn der Feier sagt, dass die Liturgie zu einer Stunde zu beginnen habe, sodass die Messe gegen Mitternacht beginnt – und zwar in der Nachr zwischen Karsamstag und Ostersonntag. Sie wird also zu einer Liturgie mitten in der Nacht und nicht mehr wie seit Urzeiten zwischen Non und Vesper. Damit erhält sie den Charakter einer „ersten Messe“ von Ostern und büßt den einer eigenen Liturgie des Karsamstags ein. Dies löst auch die altchristliche Fastendisziplin auf. Die Änderungen beziehen sich ansonstan vor allem auf den ersten Teil der Vigil.
Allgemeines
Der Altar ist bereitet wie zuvor. Der Leuchter für die Osterkerze steht nun ohne Kerze dar und befindet sich nicht auf der Evangelienseite, sondern mitten im Altarraum. Der große, säulenartige Osterleuchter wird nicht mehr verwendet. Die Paramente sind zu Beginn weiterhin violett und am Ende weiß, doch die violeten gefalteten Kaseln (planetæ plicatæ)sind durch Dalmatik und Tunicella ersetzt.
Segnung des Feuers
Der Ritus beginnt wieder draußen. Es ist nicht mehr vorgesehen, dass ein Feuerstein verwendet wird, sondern es kann jegliches Feuer sein. Es wird mit nur einer Oration gesegnet, die anderen beiden sind verschwunden. Hierauf besprengt der Priester direkt das Feuer mit Weihwasser und inzensiert es. Die Weihrauchkörner, die ebenfalls keine mehr sind, werden nicht mehr zusammen mit dem Feuer gesegnet.
Segnung der Osterkerze
Dieser Teil ist völlig neu. Die Osterkerze, die früher in der Kirche wartete wie der tote Leib des Herrn im Grab, ist nun draußen am Feuer. Der Priester segnet sie (nicht mehr der Diakon), nachdem er sie von einem Akolythen empfängt. Mit einem Stift ritzt der Priester das Kreuz zwischen den fünf Löchern für die Nägel (bzw. Weihrauchkörner) ein bzw. zeichnet sie nach. Ebenso verfährt er mit dem Alpha und Omega über und unter dem Kreuz, sowie mit der Jahreszahl, die es umgibt.
Diese Jahreszahlen waren zuvor nicht verpflichtend und oft überhaupt nicht gegeben, zuvor war es üblich die Kerzen mit reichen Verzierungen zu bemalen. Nun ist die Jahreszahl jedoch offiziell im Ritus vorgesehen und wir finden in den Kirchen fast überall identische Osterkerzen aus Massenproduktion. Begleitet wird dieses Nachfahren von einer neuen Formel Christus heri et hodie… Die Weihrauchkörner bzw. Nägel werden nur mit Weihwasser besprengt und inzensiert, ein Gebet für sie gibt es nicht. Während er de Nägel in die Kerze steckt, spricht er dazu die neuen Worte Per sua sancta vulnera…
Nun wird ihm ein Docht gereicht, der am Feuer entzündet wurde. Der Priester spricht, während er mit ihm die Osterkerze entzündet, die neue Formel Lumen Christi gloriose resurgentis dissipet tenebras cordis et mentis („Das herrliche Licht des auferstehenden Christus zerstreue die Finsternis des Herzens und des Geistes“). Darauf segnet der Priester die Kerze mit dem Gebet Veniat quæsumus, das zuvor für die Weihrauchkörner verwendet wurde. Es ist jedoch leicht verändert um sich auf die Osterkerze zu beziehen. Derweil erhalten Klerus und Volk kleine Prozessionskerzen.
Der Diakon entledigt sich seiner violetten Dalmatik und legt eine weiße (mit Stola) an. Ein Manipel wird nicht mehr erwähnt. Er nimmt die Osterkerze und trägt sie in der Prozession, deren Ordnung jedoch verändert wurde. Der Klerus im Chor geht nun hinter dem Priester und nicht mehr vor ihm. Der Ritus um das Lumen Christi bleibt ähnlich, doch macht der Diakon weder eine Kniebeue noch hebt er die Kerze empor. Die Kniebeuge wird nun zur Osterkerze gemacht, nicht mehr geradeaus. Nach dem ersten Lumen Christi wird die Kerze des Priesters entzündet, nach dem zweiten die des Klerus und nach dem letzten die des Volkes und aller Lampen in der Kirche. Somit werden diese nicht mehr erst nach der entsprechenden Stelle im Exsultet angezündet, sondern schon viel früher.
Im Altarraum angekommen, stellt der Diakon die Kerze auf den Leuchter in der Mitte des Presbyteriums. Der säulenartige, große Leuchter hat keinen eigenen Platz mehr in dieser Liturgie, sondern ist zusammengeschrumpft und zu einem rein praktischen Objekt (parvum sustentaculum) geworden. Der Priester geht derweil an seinen Sitz. Dort erteilt er dem Diakon den Segen (nicht mehr am Altar) für das Exsultet. Das Buch, in dem es steht, wird ihm nun vom Zeremoniar gegeben und liegt nicht mehr wie ein Evangeliar auf dem Altar.
Exsultet
Zum Exsultet geht der Diakon nun an das Pult, das vor der Osterkerze steht und zur Evangelienseite schaut. Er inzensiert erst das Buch, danach auch die Kerze, was zuvor unerblieb. Das Exsultet singt er am Stück, denn die Kerze brennt bereits, die Weihrauchkörner/Nägel sind bereits eingesetzt und die Lichter der Kirche bereits entzündet. Am Ende wird – statt für den Kaiser – eine neue Formel die Regierenden allgemein eingefügt.
Nach Vollendung des Exsultet legt der Diakon wieder seine violette Dalmatik an, der Priester bleibt in violettem Chormantel und wechselt nicht wie zuvor in die Kasel. Die Ministri tragen nun also Gewänder, wie sie eigentlich nur zu Prozessionen und Segnungen getragen werden.
Prophetien
Von den zwölf alttestamentlichen Prophetien bleiben nur noch vier übrig (die erste, vierte, achte und elfte). Damit wurden die acht anderen, inhaltsreichen Lesungen gestrichen. Nach jeder Lesung folgen die entsprechenden Gesänge (welche nun Cantica heißen) und Orationen. Letztere werden nicht mehr am Altar, sondern am Sitz gebetet. Der Diakon singt – wie schon an Karfreitag – sowohl Flectamus genua wie auch Levate. Die Lesungen werden nun nicht mehr am üblichen Ort zum Altar hin gesungen, sondern an einem Pult zur Kerze hin.
Erster Teil der Allerheiligenlitanei
Wo einst die Weihe des Taufbrunnens (und die Taufe der Katechumenen) folgte, wird nun eine völliges Novum eingeführt: Die Aufspaltung der Allerheiligenlitanei in zwei Teile, zwischen denen die Weihe des Taufwassers stattfindet. Priester und Leviten knien, statt sich hinzulegen. Dies tun sie an ihren Plätzen und nicht mehr vor dem Altar auf den Stufen. Sie tragen auch die Paramente weiterhin und legen sie nicht mehr ab. Die Litanei wird bis Omnes Sancti et Sanctæ Dei gesungen, aber nicht mehr gedoppelt.
Taufwasserweihe
Nun folgt die Weihe des Taufwassers – nicht des Brunnens – mitten in der unterbrochenen Litanei. Es soll nun ein Tisch aufgestellt werden, zum Volk gewandt und von ihm gut zu sehen, auf dem ein weitere Gefäß steht, in dem das Taufwasser geweiht wird. Zur Erinnerung: Zuvor ging man direkt zum Taufbrunnen und weihte ihn. Die Texte bleiben gleich, aber die Prophetie aus Gen 5, 31-8,21 (die zweite), auf die sich die Weihe direkt bezieht, wurde gestrichen. Ist das Wasser geweiht, wird es in Prozession zum Gesang des Sicut cervus zum Taufbrunnen gebracht und hineingegossen.
Für den Fall, dass das Taufwasser in einer Taufkapelle geweiht werden soll, wird vorgeschrieben, dass man während des ersten Teils der Litanei ausziehe und während ihres Gesanges die Weihe vollziehe. Dazu sollen die Sänger ggf. die Anrufungen der Heiligen von vorn beginnen, „falls nötig“. Dies wird fast unvermeidbar sein, denn die Taufwasserweihe ist umfangreich.
Erneuerung der Taufgelübde
Eine weitere Neuschöpfung ist die Erneuerung der Taufgelübde, die auch noch in der Landessprache vollzogen werden kann. Hier haben wir nun also auch in der Karwoche die Verwendung der Volkssprache in der Liturgie.
Wieder muss sich der Priester umziehen, diesmal mit einem weißen Chormantel, wobei Diakon und Subdiakon weiterhin violett tragen. Erneut wird die Osterkerze inzensiert. Der Priester verliest zum Volk gewandt eine in recht moralisiernendem Ton gehaltene, neu komponierte Ansprache und beschwört das Volk, den Satan, all seine Werke und all sein Gepränge zu verwerfen. Dann befragt er das Volk nach seinem Glauben und betet mit ihm gemeinsam das Vaterunser – das zweite Mal, dass das Volk es laut mitbeten soll.
Msgr. Gromier geht im Einzelnen auf die oben genannten Punkte ein, sodass wir sie hier nicht weiter ausführen wollen.
Zweiter Teil der Allerheiligenlitanei
Nun wird die Litanei ab Propitius esto fortgesetzt. Derweil gehen Priester und Leviten in die Sakristei und ziehen sich weiße Paramente für die Messe an. Der Altarraum wird für die Messe vorbereitet, die Osterkerze auf die Evangelienseite gestellt.
Die Hl. Messe
Auch hier haben sich einige Punkte verändert. Das Stufengebet fällt weg, die Messe beginnt direkt mit der Altarinzens wie an den anderen Tagen. Das Gebet Domine Jesu Christe qui dixisti entfällt wie an Gründonnerstag, weil kein Friedensgruß stattfindet, was aber sonst nur in Totenmessen geschieht.
Nach der Kommunion gibt es wegen der neuen Uhrzeit – es ist nun weit nach Mitternacht – keine Vesper mehr, sondern komplett neu zusammengestellte kurze Laudes, d.h. statt des Magnificat das Benedictus mit neuer Antiphon Et valde mane, die aber schon aus dem Evangelium der Messe von Ostersonntag zitiert. Sie war offensichtlich für die Laudes von Ostersonntag gedacht und nicht die Vigil. Diese kurzen Laudes ersetzen die Matutin und Laudes von Ostersonntag. Dies hat die unbestreitbar skurrile Tatsache zur Folge, dass Ostern das einzige Fest im Jahr wird, das weder eine erste Vesper, noch eine Matutin oder ein Te Deum hat. Das Schlussevangelium entfällt.
Abschließende Bemerkungen
Zusammen mit Karfreitag stellt die Ostervigil von 1955 die größte Veränderung der Liturgie seit vielen Jahrhunderten dar, noch dazu an ihrem ältesten und Herzstück. Die mit der „Reform“ beauftragte Komission unter Papst Pius XII. führte unter dem Vorwand die „korrekte“ Zeit der Feiern „wiederherzustellen“ nicht nur gänzlich neue Riten ein, die auch zeremonielle Ungereimtheiten und Probleme zutagefördern. Sie hat, wie wir in der Serie gesehen haben, nicht einmal dieses Anliegen der „korrekten“ Zeit erfüllt. Die „reformierte“ Karwoche heißt in ihren Büchern Ordo hebdomadæ sanctæ instauratus (wiederhergestellte Ordnung der Heiligen Woche) ohne tatsächlich die ursprüngliche Form wiederherzustellen, sondern gänzlich neue Dinge einzuführen.
Die richtige Zeit der Ostervigil ist von Anfang an nach der Non gewesen, wie es im Einklang mit der altkirchlichen Fasten- und Bußordnung steht. Eine absurde Folge dieser Vorstellung von der mitternächtlichen Uhrzeit ist die Zerstörung der ersten Vesper von Ostern und anderer Teile des Offiziums. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, die Zeremonien wieder auf die nachmittägliche Uhrzeit gegen 16 oder 17 Uhr zu legen, ohne den Ritus irgendwie antasten zu müssen.
Ferner hat das Exsultet seinen Charakter eines diakonalen Segens vollständig eingebüßt. Es ist nun nichts weiter als ein festlicher Gesang, ohne jegliche praktische Bedeutung. Auch die Zeremonien um das Taufwasser – besonders der nun in seiner Bedeutung verdrehte Psalm Sicut cervus – werfen viele Fragen auf.
Zu all diesen Punkten gäbe es noch viel zu sagen – diese Artikel sollen nur eine erste Einführung darstellen und Hilfen zum Verständnis bieten. Viele der Änderungen wurden wenige Jahre später unter Paul VI. wieder kassiert – gleichwohl wurden viele der neu eingeführten liturgischen Prinzipien (etwa die Volkssprache, „Wortgottesdienst“ am Priestersitz, etc.) ausgeweitet. Die vier Lesungen wurden auf sieben erhöht.
Dieser Artikel basiert auf dem außerordentlichen Werk von Gregory DiPippo, das auf New Liturgical Movement veröffentlicht wurde und hier mit seinem ausdrücklichen Einverständnis ins Deutsche übertragen und ergänzt wurde.